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Fernweh

Will des Alltags harte Zeit sich dehnen,
Brennt in meiner Brust ein heimlich Sehnen:
Hört sie doch den Klang von fernen Glocken,
Sieht sie doch, wie tausend Wunder locken.

Könnt' ich doch den Druck der Bande sprengen,
Die mir Leib und Seele schreckvoll engen!
Könnt' ich doch, wann offen mir die Türen,
Wanderfroh zur Fahrt mein Bündel schnüren!

Darf ich nicht mit meinem Schicksal hadern?
Heißes Fernweh glüht mir in den Adern,
Doch zu starken Fesseln, die mich binden,
Konnt' und kann ich nie den Schlüssel finden.

Dämmen soll das Herz ein kühnes Wagen,
Schweren Traum der Nacht geduldig tragen,
Deichsel, Joch und Griff der Zäume leiden,
Steilen Flug ins Reich der Sterne meiden!

Tranks begierig soll die Seele fasten,
Kerkers Wand mein Finger still betasten,
Mag des Daseins Last untragbar scheinen,
Mag das Herz auch bittre Tränen weinen!

Wird vom Haupt wohl je die Wolke schwinden?
Steht mir niemand bei, den Weg zu finden,
Der mein Sehnen stillt? O lähmend Schweigen,
Wird mir niemand einen Ausweg zeigen?

 

 

Vergleich

Mein Herz gleicht wohl der Welle,
Strömt ewig ab und auf.
Bald still und bald mit Schnelle
Nimmt's Tag für Tag den Lauf.
O wann findet es Frieden und ewige Ruh?
Strömt immerzu - immerzu - immerzu.

Mein Herz gleicht wohl dem Feuer,
Glüht emsig spät und früh.
Was lieb ihm, was ihm teuer,
Ihm schenkt es Kraft und Müh.
O wann findet es Frieden und wohlige Ruh?
Glüht immerzu - immerzu - immerzu.

Mein Herz gleicht wohl der Stunde,
Die rastlos drängt und eilt.
Nicht eine bringt mir Kunde,
Wo denn das Glück verweilt.
O wann findet es Frieden und innige Ruh?
Treibt immerzu - immerzu - immerzu.

Mein Herz gleicht wohl den Winden,
Stürmt unruhvoll den Pfad.
Nichts kann es halten und binden,
Ob Hafens Rast ihm naht.
O wann findet es Frieden und selige Ruh?
Stürmt immerzu - immerzu - immerzu.

 

 

Zeitwandel

Die Göttin der Jugend,
Wie lieb' ich sie doch!
Die Lieder des Lebens,
Wie schrieb ich sie doch!

Was einst ich besessen,
Empfand ich bei dir.
Die Seele der Jugend,
Sie fand ich bei dir.

Da packt mich der Stimme
Betörender Klang,
Da packt mich des Lebens
Unendlicher Drang.

Da füllt zum Zerspringen
Mir Ahnen die Brust
Und weckt mir des Daseins
Lebendige Lust.

O Jugend, wo blieb mir
Die selige Spur?
Geschlechter entschwinden,
So fordert Natur.

Wohl gaukeln die Schatten
Ums Haupt mir im Traum,
Doch naht mir der Morgen,
War alles nur Schaum.

 

 

Einsamkeit

Nun wandr' ich manche Stunde
Schon durch den schwarzen Tann,
Seit fern der Freundesrunde,
Mein Fuß die Fahrt begann.

Zum Gipfel möcht' ich steigen,
In Lüfte frisch und hell.
Dort wohnt ein heilig Schweigen,
Des Herzens lautrer Quell.

Gern atm' ich still den Frieden
In Bergwalds Einsamkeit.
Vom Lärm der Welt geschieden,
Wird hier die Seele weit.

Vom Talgrund sanft und wiesig
Tönt fern des Glöckleins Klang.
Die Tannen ragen riesig
Empor am steilen Hang.

Ein Wunder wird bereitet,
Mein Aug' erschaut es bald:
Auf starkem Einhorn reitet
Ein Mägdlein durch den Wald.

Ein Blick voll feuchtem Schimmer
Fällt auf den Wandersmann.
O schaut, nun treibt's mich immer
Zurück zum schwarzen Tann!

 

 

Gewinn

Jede Träne, die wir weinen
In des Daseins Lauf,
Mag sie sinnlos uns auch scheinen,
Steigt zum Himmel auf.

Keine ging und geht verloren,
Klingt's im Herzen klar.
Sinnlos dünkt sie nur dem Toren,
Der des Glaubens bar.

Sterne, die das Herz entzünden,
Das den Pfad verlor,
Sterne sind's, die Trost verkünden:
Schau getrost empor!

Wann das Auge sich mit feuchten
Tränen füllen will,
Sind's die Sterne, die da leuchten
Himmlisch, mild und still.

Nein, ich will den Zweifel bannen,
Der den Mut bedroht,
Will die Kräfte regsam spannen,
Bis er glüht und loht!

Schlagen wird auch mir die Stunde
Süßer Tröstung voll,
Die des Herzens heißer Wunde
Balsam bringen soll.